Lehrerfortbildung, Januar 2016

 

Konzept und Materialzusammenstellung von Olaf Mextorf, beauftragt von der Bundeskunsthalle Bonn.

 

„Ich will mit meinen Skulpturen keinen Raum wegnehmen. Ich gebe Raum dazu.“

Isa Genzken

 

Außer der Reihe möchte ich an dieser Stelle einige Hintergrund-Informationen weitergeben, wie sie für Lehrer bereitgestellt werden, die beabsichtigen, mit ihren Schülern in die Bundeskunsthalle zu kommen.

Gerade aktuelle Positionen zeitgenössischer Kunst stellen für Schüler, Lehrer und uns Kunstvermittler erfahrungsgemäß eine besondere Herausforderung dar, denn unsere Zeitgenossenschaft beinhaltet  Offenheit, Unsicherheit, wenn nicht gar Verunsicherung gegenüber ungewohnten Konzepten, neuen Materialien und Darstellungsmodi, sowie unkonventionellen Sichtweisen.

Als außerschulischer Lernort bietet die Bundeskunsthalle mit seinen herausragenden Ausstellungen den Rahmen für einen anregend-kritischen Gedankenaustausch, der im Idealfall gemeinsam mit den Schülern dialogbasiert umgesetzt wird.

 

Pressestimmen zur Ausstellung in Stichworten

  • Perspektivwechsel im öffentlichen Raum
  • effektvoll in Szene gesetzte Irritation
  • Humor – Augenzwinkern
  • Modelle als Miniatur-Welten
  • Ausstellung basierend auf „All the World’s Future“ der letzten Biennale in Venedig
  • Mini-Retrospektive

Gudrun von Schoenebeck, Bonner General-Anzeiger, 15.01.2016

 

  • schon in der Miniatur (Modell) Verblüffungseffekt spürbar
  • Skulpturen-Ideen zwischen „abgedreht“ und „romantisch“, zwischen Lachen und Provokation
  • Spiel mit der Dimension (dafür äußerst sorgfältig gearbeitete Modelle notwendig)
  • von 35 ausgestellten Modellen 20 (19 ?) realisiert
  • Skulpturenprojekte haben unbekümmert Kindhaftes an sich, erinnern an Gullivers Reisen
  • Skulpturenprojekte pflanzen Umwelt dadaistische Geste ein
  • Modelle in Weiß – wirken deshalb vielleicht wie „krampflösende Kopfschmerztablette für unsere unwirtlichen Städte“

Rudolf Schmitz, Deutschlandradio Kultur, 15.01.2016

 

  • dreifache documenta-Teilnahme, zweifache Venedig-Biennale-Teilnehmerin (zuletzt 2015)
  • schon als Kind fasziniert von der urbanen amerikanischen Architektur (bes. New York und Chicago)
  • in jungen Jahren (kurz nach 1960) in Midtown Manhattan Tante besucht
  • vielseitige und offene Künstlerin, die mit fast alle Medien arbeitet
  • befreundet u.a. mit Carl André und Dan Graham (beide Konzeptkünstler)
  • kritischer Umgang mit (gebautem) Raum
  • Raum ergänzen, ausweiten, kritisch kommentieren (Besucher wird in der Ausstellung Zeuge, wie Genzken Architektur umwertet, ergänzt, kritisiert)
  • alle Modelle wurden erst 2015 von einem Berliner Modellbauer erstellt
  • Modelle funktionieren als eigenständge Kunstwerke (die ja Konzepte sind)
  • immer wieder ist künstliche Kultivierung durch Pflanzen ein Thema
  • Rose z.B. erschaftt auch poetische Räume aufgrund der enormen Symbolkraft einer solchen Pflanze

Thomas Frank, WDR 3, 15.01.2016

 

Was Kunst im öffentlichen Raum kann (Auszüge)

Kunst im öffentlichen Raum kann verschiedene Funktionen haben. Sie thematisiert historische oder aktuelle Bezüge zum Ort, interveniert vor Ort oder lenkt die Aufmerksamkeit auf aktuelle Themen, die im öffentlichen Interesse stehen. Die Thematisierung eines historischen oder aktuellen Bezuges zum Ort kann ein Mahnmal zum Holocaust sein, oder eine Aktion zu einem stadtplanerischen Vorhaben. Eine Intervention vor Ort kann eine akustische Installation sein, die den Straßenlärm erträglicher macht, oder die Etablierung einer medizinischen Versorgung von Obdachlosen, falls es die vor Ort noch nicht gibt.

Kunst im öffentlichen Raum kann die Aufmerksamkeit auf ein Thema, wie zum Beispiel die Globalisierung, die im öffentlichen Interesse steht, lenken und dazu auch in private Räume eingreifen. Eine Künstlerin inszenierte eine solche Thematisierung vor einigen Jahren. Sie hat heimlich in den Umkleidekabinen einer internationalen und bei Jugendlichen äußerst beliebten Modekette Etiketten in Kleidungsstücke geklebt mit exakten Angaben, wie viel – oder besser gesagt: wie wenig die von diesem Unternehmen beschäftigten Frauen aus Ländern der dritten Welt an ihrer Näharbeit verdienen.

http://www.okkupation.com/theorie/link_5.htm

 

Beispiele von Kunst im öffentlichen Raum in Bonn

  • – Kunstwerke im Bundesviertel, u. a. „Large two forms“ von Henry Moore; „L’Allumé“ von Mark di Suvero
  • – Skulpturen am Stadthaus, z. B. „Chronos15“ von Nicolas Schöffer
  • – Skulptur am Potsdamer Platz: „Standortmitte“ von Lutz Fritsch
  • – Außenplastik vor dem Kunstmuseum: „In Seven Days Time“ von Katharina Grosse
  • – Stahlplastik vor dem Bonner Münster: „De Musica IV“ von Eduardo Chillida
  • – Skulptur auf dem Remigiusplatz: „Mean Average“ von Anthony Cragg

http://www.bonn.de/tourismus_kultur_sport_freizeit/bonn_ist_kultur/bildende_kunst/00085/index.html?lang=de

Weitere Beispiele finden Sie unter dem Suchbegriff im Netz: nrw-skulptur bonn

 

Mal raus? Ein paar Ansätze für die Praxis.

Kunst im öffentlichen Raum hat es nicht leicht, wird aus dem Augenwinkel zwar wahrgenommen, jedoch nicht in Ruhe betrachtet, geschweige denn nachvollzogen.

Wie kann ein kritischer Nachvollzug einer künstlerischen Arbeit im öffentlichen Raum aussehen?

  1. witterungsbedingt richtig anziehen (kein Scherz!)
  2. Werke im öffentliche Raum erinnern und dann aufsuchen
  3. das jeweilge Werk wahrnehmen, d.h. es auch wirken lassen
  4. den Aufstellungsort beschreiben und charakterisieren (z.B. Kreisverkehr, Rheinufer, Park des ehemaligen Bundeskanzleramts), denn im günstigsten Fall ist das Werk für den Ort geschaffen worden oder erscheint hier besonders gut hinzupassen
  5. das Werk beschreiben (u.a. Größe, Material, Raumwirkung, Struktur)
  6. Weg, Werk und Aufstellungsort dokumentieren
  7. Werkbezüge zum Aufstellungsort (Hinweisfunktion, Ausrichtung, Kontraste, Symbolik etc.)
  8. Informationen zum Werk sammeln
  9. Abgleich mit den eigenen Beobachtungen und der Wirkung des Werkes
  10. Informationen zur Künstlerin/ zum Künstler sammeln
  11. Hintergründe, die zur Aufstellung geführt haben (Politik, Raum-, Platz- und Stadtgestaltung, Mahnmal-Funktion, Information etc.) recherchieren
  12. behält ein Werk seine Bedeutung für den Ort im Verlauf der Zeit/ wann und wie wird es „historisch“?