Kunstbetrachtung im Dialog, Dezember 2022

 

In der Ausstellung „Berlinde De Bruyckere – PEL / Becoming The Figure“ im Arp Museum Bahnhof Rolandseck in privatem Auftrag.

 

Über die Ausstellung:

Berlinde De Bruyckere (*1964, lebt und arbeitet in Gent, Belgien) gehört zu den bedeutendsten internationalen Bildhauerinnen der Gegenwart. Die zugleich faszinierenden und irritierenden Skulpturen der Künstlerin gehen den Betrachter*innen sprichwörtlich unter die Haut. Innerhalb ihres Schaffens spielt der Mensch eine übergeordnete Rolle. Dabei widmet sich die Künstlerin subtil und empathisch den physischen und seelischen Verwundungen ihrer ›Protagonist*innen‹. Die Körperhüllen berühren uns mit ihrer intensiven Versehrtheit, Verletzlichkeit und Melancholie und bewegen sich dabei zwischen Schönheit und Hässlichkeit, Vitalität und Tod, Harmonie und Deformation, Figürlichkeit und Abstraktion. Ihre Werke sind Zeugnisse sichtbarer und spürbarer Verwandlungsprozesse menschlichen Lebens.

 

Die Darstellung der menschlichen Figur unterliegt bei De Bruyckere grundlegend den klassischen Gestaltungsprozessen. Dabei spielt die Wahl des Materials Wachs, das gleich eines malerischen Vorgangs von ihr bearbeitet wird, für die Skulpturen in ihrer so realistischen Ausführung eine entscheidende Rolle. Dies wird auch bei ihrer Werkreihe der Körperfragmente zu einem bestimmenden Element, die oftmals stark deformiert und an fleischige Klumpen erinnernd, den Rezipient*innen ein hohes Maß an Unerschrockenheit und ästhetischem Wahrnehmungsvermögen abverlangen.

Die Unmittelbarkeit ihrer Werke erwächst aus den unterschiedlichen Körperhaltungen von Tänzer*innen, mit denen Berlinde De Bruyckere zusammenarbeitet. Allen voran der portugiesische Tänzer Romeu Runa, der im Zusammenhang mit ihren Werken im Arp Museum drei Tanz-Performances aufführen wird. Im Miteinander von Kunst und Tanz zeigt sich, wie Körperhaltungen zutiefst ergreifende innere Verfassungen offenbaren.

Eine besondere Bedeutung innerhalb ihres Werks kommt seit 1999 auch dem Pferd zu. Ihre Faszination gilt der Schönheit, der Beseeltheit und Stärke dieser Tiere. Die intensive Beschäftigung mit historischem Bildmaterial des Archivs des In Flanders Field Museum im belgischen Ypern, führte ihr das grausame millionenfache Schicksal der Pferde als Opfer auf den Schlachtfeldern Flanderns während des 1. Weltkriegs vor Augen.

Neben den kreatürlich-skulpturalen Werken und Zeichnungen, die parallel zu einzelnen Werkreihen entstanden sind, wird in der Ausstellung auch eine große textile Arbeit zu sehen sein. Gebrauchte und verwitterte Decken mit unterschiedlichen Mustern und Farben erinnern an abgenommene Fresken, die gleich einem Relief von der Künstlerin zueinander komponiert werden. Einst hat jede einzelne Decke Menschen geschützt und gewärmt. Sie sind Zeugnisse unbekannter Biografien menschlichen Lebens. Dieses stille und fragile Werk befriedet die offensive Intensität von Berlinde De Bruyckeres skulpturalem Kosmos.

Dabei verwandeln die lichtdurchfluteten Räume von Richard Meiers Neubau als Zwischenreich zwischen Himmel und Erde einmal mehr das Erschreckende in das Schöne und Erhabene.

Verbundenheit der Malerin mit der Natur. Natürlichkeit war ihr oberstes Gebot – ob nun im Akt oder im Blick in die Landschaft. Nicht mahnend, sondern liebend suchte sie den Einklang und Gleichklang mit den Dingen und schilderte den Menschen als Teil der Natur, mit ihr verwoben und von ihr abhängig.