Kunstbetrachtung im Dialog, Juni 2019

 

In der Ausstellung „Die Natur ist eine versteinerte Zauberstadt“ im Arp Museum Bahnhof Rolandseck.*

 

Hans Arps Werk ist durch sein intensives Studium der Natur bestimmt. Nicht etwa, um sie abzubilden, wie es noch im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert vielerorten der Fall war, sondern um etwas Neues zu schaffen, das gleichzeitg allgemeingültig und von hohem ästhetischen Anspruch ist. Seine plastischen Werke sind Ausdruck der natürlichen Veränderung, der beobachteten Metamorphose.

Die Entstehung dieser Arbeiten, das Sichtbar-Werden seiner gestalterischen Ideen, wird ein zentraler Aspekt dieser Veranstaltung sein, in der wir gewissermaßen einen Blick in die Werkstatt des Künstlers werfen werden.

Dazu bietet uns eine der aktuellen Ausstellungen im Arp Museum jetzt die Möglichkeit. Einmal mehr Grund für uns, den Blick zu entschleunigen, um uns im Austausch mit Ihnen gezielt ausgewählten Werken anzunähern.

 

Links zur Ausstellung:

https://arpmuseum.org/ausstellungen/wechselausstellungen/aktuell/sammlung-arp-2019.html

https://arpmuseum.org/files/flyer_arp2019_ansicht.pdf

http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/kultur-und-medien/region/Tumult-in-der-Zauberstadt-article4113635.html

https://kultur-online.net/inhalt/%C2%BBdie-natur-ist-eine-versteinerte-zauberstadt%C2%AB

 

Infotext zur Ausstellung:

SAMMLUNG ARP 2019
»DIE NATUR IST EINE VERSTEINERTE ZAUBERSTADT«

26. Mai 2019 – 5. Januar 2020

HANS ARP – ARBEITSWEISE UND WERKSTOFFE

In der Kabinettausstellung laden wir Sie ein, Hans Arps Ateliersituation nachzuvollziehen. Fotografien von Arp und seinen Assistenten in den Ateliers im französischen Meudon und später in Locarno in der Schweiz geben Einblick in die dort praktizierte Arbeitsweise. Die Gipsplastiken, von denen Sie einige hier erstmals ausgestellt sehen, hat Arp eigenhändig gefertigt. Bearbeitungsspuren zeigen, dass sie zunächst als Modell für die Umsetzung in Bronze oder Stein dienten, die später von Assistenten, Bildhauern und Bronzegießern durchgeführt wurde. Einige der Gipse wurden von Arp aber auch als eigenständige Kunstwerke in verschiedenen frühen Ausstellungen gezeigt, wie Sie in den Katalogen und Zeitschriften in den Wandvitrinen sehen können.

Anhand der Kataloge und Zeitschriften lässt sich auch die Rezeption von Arps Werk und seine mit den Jahren wachsende Bedeutung in der internationalen Kunstwelt nachvollziehen.

Das Regal mit zahlreichen Gipsen, von denen Sie einige sicher wiedererkennen, hat Ernst Scheidegger in Arps Atelier in Meudon fotografiert. Von dem Gips Muschel und Kopf, den Sie im mittleren rechten Regalfach sehen, kaufte Peggy Guggenheim im Jahr 1938 eine Bronze. Es war der Beginn ihrer Sammlertätigkeit und ein erster wichtiger Schritt für die Bekanntheit von Hans Arp. Ein Bronzeguss dieser Plastik befindet sich auch in der Sammlung des Arp Museums Bahnhof Rolandseck.

Der riesige Kürbis, der Arps Plastiken so ähnlich ist und als Modell für den hier gezeigten Gipsabguss diente, ist in dem ehemaligen Garten von Hans und Marguerite Arp in Ronco dei Fiori in Locarno gewachsen. Klaus Gallwitz, der damalige Direktor des Arp Museums Bahnhof Rolandseck, hatte ihn dort gesehen und ihn sich von der Fondazione Marguerite Arp, die dort ihren Sitz hat, zur Eröffnung des Neubaus in Rolandseck gewünscht. Das Foto zeigt Klaus Gallwitz und Richard Meier bei der Enthüllung des Originals. Heute steht an der Stelle der Kürbispflanze der Neubau der Fondazione Marguerite Arp.

Von Künstlern geschaffene Gipse wurden in der Kunst lange nicht als eigenständige Kunstwerke gesehen. Sie dienten als Modelle für den Steinmetz oder den Bronzegießer. Vor allem bei steigender Nachfrage nach einem Motiv, ist der Bronzeguss eine beliebte Technik zur Vervielfältigung. Hans Arp ließ seine Bronzen bei Susse und Rudier in Paris gießen. Je nach Form der Vorlage wurden die Güsse im Wachsausschmelzverfahren oder im Sandguss ausgeführt.

Vielleicht haben Sie sich bereits gefragt, was die verschiedenen Jahreszahlen und Nummern auf der Beschilderung der Bronzen in unserer Ausstellung bedeuten? In der Regel bestimmt der Künstler, wie oft eine Plastik gegossen werden darf. Die Auflage wird mit einer römischen oder arabischen Ziffer gekennzeichnet. Um die Exemplare der Auflage voneinander unterscheiden zu können, werden diese ebenfalls nummeriert. Zusätzlich gibt es meist ein Künstlerexemplar, mit der Ziffer 0. Wenn zwei Jahreszahlen angegeben sind, steht die erste für den Entwurf, die zweite für den Guss.
Bei Bronzen ist es gängige Praxis, dass auch nach dem Tod des Künstlers noch so viele Güsse einer Form angefertigt werden dürfen, bis die Auflage ausgeschöpft ist. Sie werden als posthume Güsse bezeichnet.

Die Oberfläche der Amphorenfrau ist übersät mit Bleistiftpunkten. Mit Hilfe dieser Punkte und der Punktiermaschiene ist es möglich, Plastiken originalgetreu zu kopieren oder auch vielfach zu vergrößern. Diese Arbeit wurde von Arps Assistenten übernommen. Die Fotografien zeigen Arps Assistenten Candido Epis bei der Arbeit mit der Punktiermaschine.

Die Werkzeuge in der Vitrine sind Originalwerkzeuge von Hans Arp mit denen er seine Gipse bearbeitet hat. Die perforierten Blechbänder hat er sich extra angefertigt. Offensichtlich genügte das handelsübliche Werkzeug nicht immer seinen Vorstellungen. Vielleicht wundern Sie sich über die Sägen? Hans Arp hat die Gipsformen nicht nur aufgebaut, geraspelt und geschliffen, sondern auch gesägt und teilweise zersägt, neu zusammengesetzt und abgegossen. Eine Vorgehensweise, die die traditionellen Arbeitsprozesse radikal verändert hat.

Als Mitbegründer von Dada im Jahr 1916 und Teilnehmer an Surrealisten- Ausstellung in den 1920er Jahren war Arp bereits international bekannt. Sein Erfolg als Bildhauer und Dichter beginnt 1938 mit der Eröffnung von Peggy Guggenheims Londoner Galerie Guggenheim Jeune zu der sie Skulpturen der führenden Avantgarde zeigte – darunter auch Arps Plastik Sitzend. Während sie in allen neueren Publikationen so zu sehen ist, wie in dieser Ausstellung die Gips-Version, ist sie im Katalog der Ausstellung von Peggy Guggenheim so abgebildet, wie hier die Bronze. Beide und mehr Varianten waren für Arp möglich. Eine revolutionäre Neuerung.

1949 organisierte Curt Valentin eine Einzelausstellung Arps in der Buchholz Gallery in New York. Arp erhielt in der Folge verschiedene Aufträge für monumentale Außenplastiken. Die frühesten waren ein Wandrelief für die Harvard Universität Cambridge und die Monumentalskulptur Der Wolkenhirt für den Campus der Universität Caracas/Venezuela. Vor der Universitäts- und Landesbibliothek in Bonn steht seit 1961 die Wolkenschale aus Marmor. Der Große Preis für Plastik bei der Biennale in Venedig 1954 machte ihn endgültig international bekannt.

 

*in Kooperation mit dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck