Lehrerfortbildung, Juni 2016
Konzept und Materialzusammenstellung von Olaf Mextorf, beauftragt von der Bundeskunsthalle Bonn.
Außer der Reihe möchte ich an dieser Stelle einige Hintergrund-Informationen weitergeben, wie sie für Lehrer bereitgestellt werden, die beabsichtigen, mit ihren Schülern in die Bundeskunsthalle zu kommen.
Gerade aktuelle Positionen zeitgenössischer Kunst stellen für Schüler, Lehrer und uns Kunstvermittler erfahrungsgemäß eine besondere Herausforderung dar, denn unsere Zeitgenossenschaft beinhaltet Offenheit, Unsicherheit, wenn nicht gar Verunsicherung gegenüber ungewohnten Konzepten, neuen Materialien und Darstellungsmodi, sowie unkonventionellen Sichtweisen.
Als außerschulischer Lernort bietet die Bundeskunsthalle mit seinen herausragenden Ausstellungen den Rahmen für einen anregend-kritischen Gedankenaustausch, der im Idealfall gemeinsam mit den Schülern dialogbasiert umgesetzt wird.
Aus der Presseinformationen zur Ausstellung:
Weitere Presseinformationen der Bundeskunsthalle:
Auf youtube finden sich eine Reihe von Beiträgen zum Werk von Juergen Teller. Empfehlendswert ist das Interview, das Chris Dercon – hier noch in seiner Funktion als Direktor der Tate Gallery of Modern Art – mit Teller in dessen Studio in London Anfang 2016 führt:
Stichworte zu diesem Interview:
- Tellers Fotografie ist dokumentarisch, anti-perfekt, durch einen mitunter fast brutalen Stil gekennzeichnet
- Dercon bezeichnet Tellers Arbeit als physische Fotografie
- das Fotografieren von Berühmtheiten wird durch eine rauhe Verfasstheit gebrochen – von Dercon als „Kunst“definiert
- viele berühmte Menschen nackt fotografiert (z. B. Lily Cole, Vivienne Westwood und natürlich Charlotte Rampling)
- Teller ist interessiert am Tun seiner Modelle als Ausdruck ihrer Persönlichkeit
- Nähe zwischen Teller und den Fotografierten durch das, was sie machen, wie sie es machen, warum sie es machen (z.B. Kurt Cobain, Patti Smith, Vivienne Westwood)
- an Tellers Pinwand im Studio sind Fotos von Berühmtheiten neben Familienangehörigen angeordet, alles gemischt
- eigentlich fotografiert Teller alles, was ihn interessiert
- Victoria Beckham z.B. fast an der Grenze zur Lächerlichkeit – sie sah Möglichkeit ihr Image positiv zu verändern (Humor)
- Teller will auch Absurdität des Lebens darstellen, Absurdität auch der Modeindustrie = Spannungszustand
- Modeindustrie bietet Möglichkeit, eine Fantasiewelt aufzubauen (dort Absurditätäen darstellbar!)
- doch in dieser Fantasiewelt sieht dann – durch den Fotostil Tellers – alles real, harsch aus (Spannung)
- in den 90ern wird Tellers Werk Teil einer neuen Ästhetik
- Anti-Mode (besonders mit Kate Moss)
- sie passt nicht in das Bild des Super-Models
- schmutziger Realismus – ein Stück weit sogar unfreundlich
- Teller sieht aber auch Romantik und Schönheit in seine Bildern
- „Go-Sees: Girls Knocking on My Door“ (Buch von 1999) = Kritik an der Modebranche: Hunderte von extrem jungen und ungewöhnlich aussehenden Models Models waren zu fotografieren – er machte ein Konzept daraus: fotografierte sie an seiner Haustür
- 2004 dann Fotoshooting mit Charlotte Rampling in einem Pariser Hotel für Marc Jacobs (Louis XV, Paris, 2004)
- absolute Ausnahme im Werk Tellers
- „Sie (Charlotte Rampling) kann furchterregend sein…“ (Juergen Teller)
- zeigt ihr sein 1996 im Taschen Verlag erschienens Buch, woraufhin sie ihm nahezu alle Freiheiten gewährt
- Teller erzeugt bei den Shootings Intimität und glaubwürdige Nähe
- Teller gibt den Fotografierten Vertauen – keinerlei Voyeurismus
- seine Selbstporträts zeigen allen, wie weit er zu gehen bereit ist – dann muss jede Model entscheiden, ob es folgen mag
- wer allerdings mitmacht, weiß wohin die Reise geht
- Nacktheit ist bei Teller ohne Eleganz
- Nacktheit für Teller seit seiner Kindheit normal und natürlich (hatten Sauna und kleinen Pool, wohnten am Waldand)
- kein Dresscode
- Haut zeigen wie sie ist; immense Unterschiede von Mensch zu Mensch
- mitunter groteske Wirkung der Bilder/Inszenierungen
- Kim Kardashian-Set (Kayne): Frkr. für System-Magazin
- Schloss zu „schön“ (cheesy) – obskure Wirkung am Kieshaufen
- Teller kann überzeugen, weil Modelle ihm vertrauen, weil auch er getrieben ist – er macht mit
- Walking-Bilder kommen dazu
- 2015 dann „The Clinic“- dazu Teller:
„Ich war des Rauchens und Trinkens müde geworden. Diese Klinik ist das Beste, was ich für meinen Körper und meinen Geist getan habe. Zu meinem 50. Geburtstag hat mir mein Cousin Helmut das tiefgründigste, schönste und bemerkenswerteste Geschenk gemacht. Er hat Bücher aus den eingelagerten und vergessenen Diapositiven meines Vaters gemacht.Als ich diese Bücher anschaute, musste ich weinen. Mein Vater nahm sich das Leben und doch sieht man auf diesen Bildern, dass es nicht alles nur dunkle Tage waren, und was für ein guter Fotograf er war. Als ich in Österreich in dieser Klinik war, erinnerte ich mich plötzlich an all die Ferien die wir in Österreich verbrachten und somit auch an die Bücher, die mir mein Cousin gemacht hatte.“
- Rückblick auf Familiengeschichte
- Geburtstag in Bubenreuth mit gesamter Familie
- Fotos seines Vaters
- Teller sieht aus wie sein Sohn
- es geht um Geschichte und Erinnerung
- berührendes Foto ist nackter Teller mit Zigarette und Bierflasche (Fröhlich-Bier) am Grab seines Vaters
links hierzu:
http://www.cfa-berlin.de/exhibitions/the_clinic/press/
JuergenTeller_TheClinic_Catalogue
weitere lohnende links:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/43281/Saufen-ist-Arbeit-Saufen-ist-ein-Beruf