„Entzauberung der Genies? – David Hockneys Blick auf die Alten Meister“ – so das Thema heute. Der Anlaß: ein Ende vergangenen Jahres erschienenes Buch mit dem Titel „Geheimes Wissen – Verlorene Techniken der Alten Meister wieder entdeckt“. Der Autor: David Hockney. (…)

David Hockney entwickelt die These, daß bereits die Maler des 15. Jahrhunderts Spiegel und Linsen für ihre Arbeit verwendeten. (…) Die Zeichnung ist, wie die anderen Künste auch, ein Mittel der Weltaneignung. Wie der Gedanke erst durch das Wort zum Ausdruck kommt, so wurde lange Zeit die optische Wahrnehmung erst durch das Medium der Zeichnung zur Anschauung gebracht. Die Geschichte der Zeichenkunst ist also auch eine Geschichte unserer Weltsicht. Und so fragt die Ausstellung ZeichnungSehen auch nach den Bedingungen, unter denen wir die Welt wahrnehmen, fragt, wie unser Bewußtsein mit unserer Wahrnehmung, unserem Denken verbunden ist. (…)

Der Ausgangspunkt für Hockneys Untersuchungen: 1999 besuchte er eine Ingres-Ausstellung in der Londoner National Gallery. Ingres gilt als einer der großen französischen Klassizisten und lebte von 1780 bis 1867. Hockney – selbst ein hervorragender Zeichner – war vor allem auf Ingres‘ Portrait-Zeichnungen aufmerksam geworden, war fasziniert vom sicheren Strich und der detaillierten Ausführung. Hockney weiß zu berichten, daß Ingres diese von ihm portraitierten Personen persönlich nicht kannte, was den Bildnis-Auftrag deutlich erschwert. Denn es ist leichter, die Gesichtszüge einer vertrauten Person zu zeichnen. Dennoch sind die Zeichnungen außergewöhnlich schnell entstanden. Als erfahrener Portrait-Zeichner wußte Hockney, daß man normalerweise viel Zeit für derart detailliert ausgeführte Zeichnungen braucht.

Neugierig geworden, fertigte Hockney vergrößerte Fotokopien dieser kleinformatigen Zeichnungen an, um die Linienführung besser erkennen zu können. In die anfängliche Bewunderung für Ingres‘ Zeichnungen mischten sich bei Hockney bald gewisse Zweifel, zugespitzt auf die Frage, wie es Ingres wohl gelungen war, derart schnell und derart genau zu arbeiten? (…)

Olaf Mextorf

 

links:

https://www.perlentaucher.de/buch/david-hockney/geheimes-wissen.html

http://literaturkritik.de/id/4325

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-wie-sich-die-ruestungen-glaenzend-schmiegen-11281870.html